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Geschichten über Bilder, die irgendwann irgendwo s o n s t entstanden sind.

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Natürlich ist es nicht besonders originell auf die Jubiläen des Jahres 2019 zurückzublicken. Aber es gab drei so besondere Ereignisse, die man nicht unerwähnt lassen darf. Die drei für mich wichtigsten Jubiläen waren 100 Jahre Bauhaus, 30 Jahre Friedliche Revolution und 100 Jahre Weimarer Republik.

Das ganze Jahr lang gab es eine Veranstaltungsreihe von Gesprächen mit Zeitzeugen, die sich an wichtige Potsdamer Ereignisse der Friedlichen Revolution erinnerten. Der Förderverein des Potsdam-Museums, insbesondere Susanne Fienhold Sheen als Moderatorin und Markus Wicke, der Vereinsvorsitzende, veranstalteten diese Zeitzeugen-Reihe. 30 Jahre sind seit den Ereignissen des Jahres 1989 vergangen. Teilweise sind auch meine Erinnerungen noch genau und plastisch. Ich konnte sie mit den Erzählungen der befragten Zeitzeugen abgleichen. Es waren intensive Abende. Die Zeit für eine Rückbesinnung war einfach reif. Die gelebten Jahre in der DDR waren eine wichtige Zeit für mich. Die Themen der Veranstaltungen reichten von der Schilderung der Arbeitsatmosphäre in Potsdamer (eigentlich Babelsberger) Betrieben, der informellen Kunst- und Kulturszene bis hin zu den wichtigen politischen Ereignissen, wie der Kommunalwahl und der Aufdeckung der Wahlfälschung, der Gründung des Neuen Forums und der Besetzung der Potsdamer Stasizentrale.


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Die Gespräche mit den Zeitzeugen waren der eine Teil des Abends, der andere Teil waren die langen Gespräche danach, am Stehtisch im Foyer des Potsdam-Museums, bei einem Glas Wein. Und die Gespräche waren nicht etwa rührselige Blicke zurück, sondern durchaus kritische Diskussionen mit den „Neu-Potsdamern“, die zahlreich die Veranstaltungen besuchten.

Auf der Website des Fördervereins des Potsdam-Museums sind alle Zeitzeugen-Gespräche noch einmal sehr gut zusammengefasst. Aber auf zwei Veranstaltungen möchte ich genauer eingehen. Andreas Bauer hat im Jahr 1989 wichtige Ereignisse fotografisch begleitet. Neben einer selbst angefertigten Ausstellung für das Pfingstbergfest im Juni 1989, hat er die Ausstellungsposter fotografiert und auch das Fest selbst. Im Juni 1989 hat die Staatssicherheit dieses Fest der Gruppe Argus und der anderen kritischen Bürger engmaschig überwacht.

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Die erste große freie Demonstration der Potsdamer Bevölkerung am 4. November 1989 hat Andres Bauer ebenfalls fotografisch begleitet. Einen Teil dieser Fotos wurden erstmalig (2019) in der Öffentlichkeit gezeigt. Historisch sehr wichtige Fotos sind bei der Besetzung der Potsdamer Bezirksverwaltung der Staatssicherheit am 5. 12. 1989 entstanden. Die Bilder zeigen die Bürgerrechtler, die sich vor dem Eingang der Stasi in der Hegelallee treffen, um sich gemeinsam mit der Volkspolizei und dem Staatsanwalt Zugang zu den Räumen zu verschaffen. Es gab bereits ernst zu nehmende Gerüchte über die Vernichtung der Akten. Diese Zerstörung der Unterlagen sollte unbedingt gestoppt werden. Die sogenannte Besetzung zeigen die Fotos.

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Andreas Bauer hat alle Fotos neu digitalisiert und behutsam Kratzer und Fussel entfernt. Kaum vorstellbar ist es heute, dass jeweils nur eine eng begrenzte  Anzahl von Fotos gemacht wurde. So gibt es von der Besetzung der Stasi nur zwei Schwarz-Weiß Filme mit je 36 Aufnahmen. Die digitalisierten Bilder werden dem Potsdam-Museum zur Verfügung gestellt.

 

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„Noch immer thront Max Emdens prächtige Villa auf der größeren der beiden Brissago-Inseln praktisch so, wie der Hamburger Kaufhaus-König sie 1940 kurz vor seinem Tod verlassen hat. 70 Jahre ist das jetzt her, seit 60 Jahren ist seine Insel mit dem botanischen Garten öffentlich zugänglich und eine beliebte Touristenattraktion. Nur sehr bruchstückhaft ist bekannt, was geschah, bevor er ins Tessin zog.“

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1927 kaufte Max Emden die Inseln von einer hoch verschuldeten Baronin. Eine rege Bautätigkeit beginnt. „Alles soll stimmen, dafür scheut Emden keinen Aufwand. Das Haus glänzt innen von weißem Marmor, die Salons schmücken kunstvoll verzierte Böden, wie die beim Bau beschäftigten Arbeiter erzählt haben. Das prächtigste ist ihnen entgangen, die meisten waren längst weg, als die Einrichtung herangeschafft wurde, um die Hülle des Palazzo mit all den vielen schönen Dingen zu füllen.“

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„Noch während Starautor Erich Maria Remarque gemeinsam mit Marlene Dietrich Max Emden auf seiner Insel besuchte, kämpfte der inzwischen in die Schweiz eingebürgerte Inselherr jüdischer Herkunft um seinen Besitz in Deutschland. Die Nazis nahmen ihm zuerst den noblen Hamburger Polo-Club, dann wurde sein Grundbesitz „entjudet“, seine Firmen „arisiert“, und Teile seiner privaten Gemälde-Kollektion landeten in Hitlers Raubkunstsammlung.“

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„Potsdam, da besitzt Emden bekanntlich ein Kaufhaus. In dieser Stadt hat leider eine weitere Schlüsselfigur ihr Betätigungsfeld ausgeweitet, ein gewisser Mainka. Es ist einer jener typischen arischen Profiteure. (…) Der ehemalige Handelsvertreter Mainka ist derzeit im „Arisierungsgeschäft“ erfolgreich. (…) Er fängt beim Betreiber des Kaufhauses an, das ist die Firma M. Hirsch, reißt sie sich unter den Nagel. Danach knöpft er sich den Vermieter vor. Max Emden heißt der Besitzer der Gebäude und Grundstücke an der Brandenburger Straße in Potsdam.“ Die Willkür, mit der Max Emden, enteignet wird, die Tatenlosigkeit der Schweizer Behörden, die ihn nicht auf diplomatischem Weg unterstützen, tragen sicherlich zu seiner Erkrankung bei. Erich Maria Remarque schreibt am 24. August 1940 in seinem Tagebuch: „Brief von Carla Vitelleschi. Emden tot. Was hat er nun von all seiner Angst gehabt! Trifft mich; – er wollte so gerne schön leben. Und hatte alles dafür, nur nicht das furchtlose Herz. Man braucht ein starkes Herz, um ohne Wurzel zu leben.“

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Fotos der beiden Grabsteine: Andreas Bauer


Quelle: Francesco Welti (2010): Der Kaufhaus König und die Schöne im Tessin. Max Emden und die Brissago-Inseln. Verlag Huber Frauenfeld. Stuttgart und Wien.

 

 

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Das Leben in Neubaugebieten, speziell in den sogenannten Plattenbaugebieten aus DDR-Zeiten, ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Und so war die Vorstellung sehr ambivalent, ein Kunstfestival gerade in diesem ehemaligen DDR-Neubaugebiet Drewitz anzusehen. Das Kunstfestival Localize nutzte bisher alljährlich eher leerstehende Gebäude oder brach liegende Flächen im Stadtzentrum von Potsdam. Aber nun ging es an diesem sommerlichen Wochenende nach Drewitz, ehemals ein kleines Dörfchen, auf dessen umliegenden Feldern in den 1980er Jahren die Platten hochgezogen wurden. Das sommerliche Wetter und die Ankündigungen der Künstler lockten mich nun nach Drewitz. Es war nicht nur die reine künstlerische Neugierde, die mich nach Drewitz trieb, sondern auch die Erinnerung an die Vergangenheit. Denn ich kenne das Leben sowohl in meinem ehemaligen (Heimat)-Dorf als auch in diesem Wohngebiet. Einige Jahre habe ich mit meinen Kindern in Drewitz gelebt. Ich selbst habe zwar irgendwann die Tage gezählt bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich aus diesem Wohngebiet wieder verschwinden durfte. Aber das Leben in dem Neubaugebiet hatte auch Vorteile: großzügige Spielplätze, grüner und vielfältiger als man denkt, Kitas, eine tolle Schule mit engagierten Lehrerinnen, kurze Einkaufswege und viele andere Kinder. Aber zurück zur Kunst. Bevor es richtig los ging, gab es erst einmal einen erfrischenden Cidre. Sehr ungewöhnlich in dieser Umgebung, aber schön. Einige der Drewitzer Einwohner nutzten die Gunst der Stunde ebenfalls und genossen die lockere Atmosphäre. Andere blieben allerdings in ihrer Wohngebietsgaststätte. Nach einigen Eröffnungsreden konnten wir Besucher uns dann endlich die vielen verschiedenen Ausstellungen, Installationen und Filme ansehen. Die Wohnungsgesellschaft ProPotsdam hatte einige leere Wohnungen zur Verfügung gestellt, die von den Künstlern auf vielfältige Art und Weise genutzt werden konnten. Für mich war es nicht nur die Kunst, die faszinierte, sondern auch die Wohnräume an sich, mit all den (selbst erlebten) Unzulänglichkeiten.

 

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19.00 Uhr: Nachrichten im Radio. Beim Kochen, so mit halbem Ohr, hörte ich Wachtmeister Hübner zu, der allerlei Wichtiges für den Berlin-Brandenburger Raum zum Thema Wetter und Verkehr zu erzählen hatte. Und dann kam die Meldung über eine Umleitung zwischen Schmerzke und Paterdamm. Zwei Orte, irgendwo, im nun schon dunklen Brandenburg, dachte ich noch. Aber dann fiel es mir ein, dass ich vor gar nicht langer Zeit in einem Gasthaus, in der Nähe von Lehnin, einen Ziegelstein fotografiert habe. Er war gestempelt und der Name der Ziegelei gefiel mir so gut: Paterdamm. Was für ein schöner Ortsname. Ich hatte noch nie davon gehört, weder von der gleichnamigen Ziegelei noch von dem Dorf. Deshalb musste ich den Stein unbedingt knipsen. Und unerwartet, an einem Dienstagabend, drängte sich Paterdamm noch einmal in meine Gedanken. Ja, die vielen, vielen Ziegeleien, entlang der Havel und rund um Berlin, die die Gründerzeit im Kaiserreich erst möglich machten, bleiben durch ihre eingebrannten Namen gegenwärtig. Der Ton ist schon lange abgegebaut, Hügel und Senken sind übrig geblieben. Die Natur hat sich alles zurückgeholt. Die berühmteste ehemalige Abbaustelle wird heute Glindower Alpen genannt. Und überall hier in der Gegend sind die vermauerten Ziegel zu sehen, wie der aus Paterdamm.

 

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